Aus den GKP-Informationen

Jesus im Kino

| 5 min Lesezeit

geschrieben von Doris Wiese-Gutheil

Wer war Jesus und welche Relevanz hat er für unser Leben? Diese Frage stellt der geistliche Beirat der GKP, Christof Wolf SJ, anhand von Filmen über Jesus von Nazareth.

Jesusfilme haben eine lange Tradition. Der älteste erhaltene Jesusfilm ist „La Passion“ der Gebrüder Lumière aus dem Jahr 1897. Seitdem hat es über 120 Jesusfilme gegeben. Die Kernfrage „Wer war Jesus?“ hat offensichtlich viele bekannte Filmemacher wie Pier Paolo Pasolini, Franco Zeffirelli, Martin Scorsese, Mel Gibson und jüngst Cyrus Nowrasteh („Der junge Messias“) beschäftigt. Was kann ein Jesusfilm sein? Ist er schriftgetreue Glaubensvermittlung (Katechese) in einem zeitgemäßen Medium (Film)? Oder eher Unterhaltungsprogramm (Musical), Literaturverfilmung, Historienfilm oder sogar „Die größte Geschichte aller Zeiten“ (George Stevens, 1965)?

Wie löst man die bekannten Schwierigkeiten eines solchen Sujets: Wie zeigt man Engel, Wunder, die Auferstehung, Jesus, der Sohn Gottes, ganz Mensch, ganz Gott zugleich?
Jeder Jesusfilm lässt sich formal in drei große inhaltliche Bereiche einteilen: Jesu Kindheit, sein öffentliches Wirken, seine Passion und Auferstehung. Für die theologische Grundaussage sind zwei Kernmomente im Film entscheidend: Jesu letzte Worte am Kreuz und wie der Film endet. Aus „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus und Markus) spricht ein einsamer und verzweifelter Jesus. Im Lukasevangelium dagegen stirbt Jesus im vollen Vertrauen auf seinen göttlichen Vater: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“. Und für den Apokalyptiker Johannes vollendet sich die Sendung Jesu mit den Worten „Es ist vollbracht.“ Überraschenderweise hören nicht wenige Filme mit der Kreuzigung Jesu auf: „From the Manger to the Cross“ 1912; „Jesus Christ Superstar“; „Godspell“ 1973 und „Die letzte Versuchung Christi“ 1988. Dabei würde doch das Christentum ohne den Auferstehungsglauben gar nicht existieren.
Eine Besonderheit, die Mel Gibsons Film „Die Passion Christi“ wohl am markantesten von allen anderen Jesusfilmen unterscheidet, ist die Verwendung der gesprochenen Sprache: Das Publikum hört nur Aramäisch und Latein. Mit diesem Kunstgriff vermeidet Gibson Probleme, die eine neusprachlich synchronisierte Fassung mit sich brächte: Die Evangelien sind in erster Linie Erzählungen, die natürlich auch Dialoge enthalten. Es sind aber keine Dramen, die sich vor allem durch gesprochene Sprache auszeichnen. Sie stellen eine ganz eigene Textgattung dar. Seit der frühen Kirche wird die Bibel in einem vierfachen Schriftsinn verstanden: Der wörtliche und historische Sinn – Was ist geschehen? Der Glaubenssinn – Was soll ich glauben? Der ethische Sinn – Wie soll ich handeln? Und der eschatologische Sinn – Wonach soll ich streben? Schwierig wird es, wenn die im Film verwendeten Bibeltexte aus bekannten Übersetzungen stammen. Pier Paolo Pasolinis „Das 1. Evangelium Matthäus“ (1966) zum Beispiel ist wortwörtlich einer Bibelübersetzung entnommen. Und Pasolini lässt Jesus die Formel „Weh euch, ihr Schriftgelehrten und heuchlerischen Pharisäer“ wieder und wieder ausrufen. Diese rhetorische Figur im Text wirkt als gesprochenes Wort im Film aber wie eine persönliche Drohung. Der „ethische Schriftsinn“ dieser Stelle, die Entlarvung der pharisäischen Doppelmoral geht verloren. Durch den Verfremdungseffekt der für das Publikum unverständlichen Sprachen entgeht dagegen Mel Gibsons Film dieser Gefahr.
Die Atmosphäre eines Films wird natürlich besonders vom Schauplatz und der Filmmusik bestimmt. In Jesusfilmen gibt es für beides eine sehr große Spannbreite. Von Orten in Tunesien, die heute noch in der Zeit des Neuen Testaments zu leben scheinen, bis zu modernen Schauplätzen wie New York. Musik wird in Jesusfilmen unterschiedlich eingesetzt. Im Gegensatz zu einem Musical („Jesus Christ Superstar“, 1973) oder einer Rockoper („Godspell“, 1973), in denen Musik das gesungene Wort trägt, bekommt die Musik bei Pier Paolo Pasolini und Mel Gibson eine eigene atmosphärische, erzählerische Qualität, die oft einen gesprochenen Text überflüssig macht.
Das Neue Testament erzählt vier Geschichten über Jesus von Nazareth mit sehr unterschiedlichen Charakterisierungen. Bei Matthäus ist Jesus der große Lehrer. Das Markusevangelium betont am meisten den menschlichen Jesus. Für Lukas ist Jesus vor allem der Prophet und für Johannes der Messias – und natürlich ist Jesus immer mehr als eine dieser Charakterisierungen. Die Vielschichtigkeit der Jesusfigur macht die Besetzung der Rolle zu einem besonders heiklen Unterfangen, ist doch der Schauspieler Sympathieträger und Identitätsfigur im Film. Es könnte ganz interessant sein, einmal die Wirkung von langhaarigen, dunkel gelockten Jesusdarstellern mit jener von kurzhaarigen blonden zu vergleichen. Viel wesentlicher als die äußere Erscheinung ist jedoch die Frage, die sich nicht nur den Regisseuren und Schauspielern stellt, sondern auch uns: Wer war Jesus von Nazareth und hat er irgendeine Relevanz für mein Leben?

Anmelden um Kommentare zu schreiben